2022 Die Stunde da wir nichts voneinander wußten

2022 - Die Stunde da wir nichts voneinander wußten (Peter Handke)

Ein öffentlicher Platz wird zur Bühne, auf der Alltägliches und Ungewöhnliches passiert: flüchtige, zufällige, wiederkehrende Begegnungen von Individuen oder Paaren, Gruppen finden und verlieren sich, wortlos erzählend, beiläufig, skurril, komisch, poetisch oder dramatisch. Ein Kommen und Gehen. Die Welt vor Ort. Die Geschichten im Alltag. Die Mythen der Gegenwart – und der Vergangenheit. Die Vielfalt der Gesellschaft, ein Kaleidoskop menschlicher Komödien und Tragödien im Konzentrat. An einem Ort in einer Stunde. Ist so das Leben?


„Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ ist ein Theaterstück ohne Worte. Optimal für ein multinationales Ensemble wie unsere Jugendlichen aus Ingolstadt, Polen, Ungarn, Slowenien, Serbien und Italien. 


Der österreichische Schriftsteller Peter Handke (geb. 1942) beschreibt darin, was auf einem öffentlichen Platz alles zu beobachten ist.  Bei Peter Handke sind es über 300 Passanten bzw. Episoden. Uraufgeführt wurde „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ 1992 als Produktion des Wiener Burgtheaters durch Claus Peymann, der kürzlich  in Ingolstadt Ionescos „Die Nashörner“ inszeniert hat. 

Über die Entstehungs-Idee von „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“: 


Was das Stück ausgelöst hat, war ein Nachmittag vor vielen Jahren. Ich habe damals auf einem kleinen Platz in Muggia bei Triest den Tag verbracht. Ich bin dort den ganzen Tag auf einer Café-Terrasse gesessen und habe gesehen, wie sich das Leben abspielt. Ich bin wirklich ins Schauen gekommen, vielleicht auch mit Hilfe von Wein. Alles wurde zeichenhaft, ohne symbolisch zu werden. Die kleinsten Vorgänge fingen an, Zeichen zu werden, als ob sie die Welt bedeuteten – ich weiß nicht, welche Welt, die Welt eben. Nach drei, vier Stunden fuhr ein Leichenwagen vor ein Haus, Männer gingen hinein und kamen dann mit einem Sarg heraus, Zuschauer versammelten sich und lösten sich wieder auf, der Leichenwagen fuhr weg. Danach ging der Betrieb wieder weiter – von Touristen, von Einheimischen, von Handwerkern. Die nachher kamen wußten nicht, was vorher war. Aber für mich, der das gesehen hatte, war durch die Aktion mit dem Leichenwagen doch alles, was nachher kam, leicht verändert. Die Passanten wußten alle nichts voneinander – daher der Titel. 

(Peter Handke in einem Interview mit Sigrid Löffler in der Zeitschrift „Profil“  1992, S. 96) 

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